Batterien zum Fliegen bringen

Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, muss auch der Flugverkehr dekarbonisiert werden, trägt er doch rund 2 Prozent zu den weltweiten energiebezogenen CO2-Emissionen bei. Dafür müssen Flugzeugantriebe auf eine Energieversorgung mit Batterien oder synthetischen Treibstoffen umgestellt werden.

Bild: H55

Mit dem Projekt Solar Impulse gelang den Schweizer Piloten Bertrand Piccard und André Borschberg in den Jahren 2015 und 2016 die erste Weltumrundung mit einem solarbetriebenen Elektroflugzeug. Dabei stand im Vordergrund, die Möglichkeiten erneuerbarer Energien und effizienter Technologien zu demonstrieren. Solar Impulse hat mit Interkontinental- und Nachtflügen aber auch das Potenzial leistungsfähiger Batteriespeicher und elektrischer Antriebe für zukünftige Flugzeuge erahnen lassen. Daraus ist das Spin-off H55 hervorgegangen, mit dem Ziel, die batteriebetriebene Antriebstechnologie für kommerzielle Flugzeuge weiterzuentwickeln und zu zertifizieren. Der Name des von André Borschberg geleiteten Unternehmens geht auf den ersten Firmenstandort im Hangar 55 in Visp zurück.

 

Jedes Kilogramm zählt

Der Weg zu Netto-Null bis 2050 ist in der Luftfahrt sehr anspruchsvoll. Einerseits spielt das Gewicht, welches bei den Batterien noch viel höher ist als bei konventionellen Treibstofftanks mit demselben Energieinhalt, eine wichtige Rolle. Ein schwereres Antriebssystem bedingt weniger Nutzlast und reduziert die Wirtschaftlichkeit und Reichweite. Die zweite wichtige Herausforderung ist die Zertifizierung bei den zuständigen Behörden. Die Anforderungen für Sicherheitsnachweise neuer Technologien im Luftfahrtbereich sind sehr hoch und die Prozesse sehr strikt. André Borschberg, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender von H55, betont denn auch: «In der Flugzeugentwicklung kann nicht getrickst werden.» Deshalb kommt die Innovation langsamer voran als beispielsweise bei Strassenfahrzeugen.

 

Das erste marktreife Produkt

H55 will die neue Antriebstechnologie zuerst für einfachere zweisitzige Schulungsflugzeuge entwickeln, die für rund einstündige Trainings ausgelegt sind. Anschliessend ist vorgesehen, das System auf anspruchsvollere Flugzeugtypen für den regionalen Waren- oder Passagiertransport zu skalieren. Im letzten Jahr wurden der Firma von den europäischen und schweizerischen Flugsicherheitsbehörden die notwendigen Bewilligungen zur Entwicklung und Herstellung eines elektrischen Antriebs erteilt. Unterdessen werden Flugerfahrungen mit Prototypen gesammelt und bis Ende 2024 soll die Typengenehmigung für ein Kleinflugzeug vorliegen, welche bestätigt, dass dieses die schweizerischen Vorschriften erfüllt.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Walliser Unternehmens ist seine Batterietechnologie, die an die besonderen Anforderungen beim Fliegen angepasst ist. Zwanzig Jahre Erfahrung fliessen in die Entwicklung von Batteriepacks, die modular für unterschiedliche Flugzeugtypen dimensioniert werden können und die mit einem spezifischen Aufbau und einer Steuerungselektronik verhindern, dass Batteriezellen überhitzen oder gar Feuer fangen können. Diese komplexen, patentierten Lösungen machen H55 zum spannenden Partner für grosse Flugzeughersteller, die das Know-how zur Elektrifizierung erst entwickeln müssen. Beispielsweise entwickelt die Firma im Auftrag von Pratt & Whitney Kanada das Batteriespeichersystem für ein 49-plätziges Passagierflugzeug mit hybridelektrischem Antrieb.

 

Die Zukunft einer Luftfahrt ohne Treibhausgasemissionen

Während einzelne Kleinflugzeuge bereits heute batteriebetrieben fliegen, werden elektrische Antriebssysteme wohl nicht rasch in Langstreckenflugzeugen genutzt werden – wegen der beschränkten Speicherkapazität von Batterien. «Sauberes Fliegen mit kleinen regionalen Transportflugzeugen dürfte bis 2030 kommerziell verfügbar sein», erklärt André Borschberg. Für Grossflugzeuge dürften – zumindest mittelfristig – Wasserstoffantriebe im Vordergrund stehen. Die Technologien müssten Schritt für Schritt verbessert werden und voraussichtlich werde sich ein Mix von Lösungen parallel entwickeln und zum Einsatz kommen: hybride Antriebe mit fossilen Treibstoffen, die effizienter sind, aber weiterhin Treibhausgase emittieren; hybride Antriebe mit Wasserstoff, welcher zur Erreichung der Klimaziele mit erneuerbaren Energien produziert werden muss; und rein elektrische Antriebe. Alle Varianten nutzen Batterien und Elektromotoren. Das H55-Antriebssystem kann demnach überall eingesetzt und angepasst werden. Als Erfolgsrezept sieht Borschberg die klare Vision der Firma: «Das Fliegen sauber machen und langfristig von Verbrennungsmotoren und fossilen Brennstoffen wegkommen.» Bis dahin gebe es noch viel zu tun.

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